Mittwoch, 29. Juli 2009

Wie ich die Geburt meines Sohnes erlebt habe...

Wie ich die Geburt meines Sohnes erlebt habe, unterscheidet sich verständlicherweise beträchtlich von der Art und Weise, wie meine Frau dieselbe Geburt erlebt hat. Vor allem im Punkt "Schmerzen" gibt es (zu meinem Glück als Mann) große Unterschiede. Trotzdem hoffe ich, dass auch meine Sicht nicht völlig belanglos ist.
Bei mir fing es im Grunde damit an, dass ich gemütlich auf dem Bett lag und das Telefon klingelte. Als ich abhob, hörte ich meine Frau. Sie befand sich seit dem vorangegangenen Tag im Krankenhaus, wo sie Tabletten nehmen sollte, die die Geburt auslösen sollten. Da die Ärzte allerdings aufgrund des labilen Gesundheitszustandes unseres Kindes sehr vorsichtig und langsam vorgehen wollten, würde sich die Geburt über mehrere Tage hinziehen, weshalb ich zwischenzeitlich nach Hause nach Köln gefahren war. Am Telefon teilte mir meine Frau unter Tränen mit, dass unser Sohn in einer Stunde per Kaiserschnitt aus ihrem Bauch geholt werden würde. Sofort sprang ich vom Bett auf und eilte hektisch durch unsere Wohnung, wo ich mich nach Dingen umschaute, die ich mit ins Krankenhaus nehmen sollte. Als ich meinte, alle nötigen Sachen bei mir zu haben, fuhr ich los. Während der Fahrt zum Krankenhaus in Leverkusen verfluchte ich alle Autofahrer, die mich auf meinem Weg zu meiner leidenden Frau bremsten. Irgendein Blödmann blieb dann sogar noch stehen, obwohl es schon längst grün war. Und als er dann endlich losfuhr, wurde es rot, sodass er es noch geschafft hat und ich vor der Ampel stehen bleiben musste! Trotzdem und wegen der recht freien Autobahn (was um Köln herum keine Selbstverständlichkeit ist) kam ich nach etwa einer halben Stunde im Krankenhaus an. Schnell lief ich zur Station, wo ich sie zurückgelassen hatte. Als ich die Tür öffnete, erschrak ich für einen Moment: Ihr Bett war nicht mehr im Zimmer. War ich etwa zu spät? Wurde sie schon operiert?
Eilig rannte ich zu dem Ort, wo die Operation stattfinden würde: zum Kreißsaal. Zum ersten Mal war es nicht meine Frau, sondern ich, der vor dem Eingang die Klingel betätigte, um um Einlass zu bitten. Bei all unseren zahlreichen Besuchen im Kreißsaal oder in der Pränatalmedizin war ich bloß ihr Begleiter, ihr Schatten, den das Personal kaum wahrnahm. Aber nun stellte ich fest, dass die Hebammen und Ärzte scheinbar schon auf mich gewartet hatten. Als ich durch die Gänge lief, sah ich Freude und Erleichterung in den Augen der Leute, die mir entgegen kamen. Einer von ihnen führte mich zu meiner Frau, die leider ganz andere Emotionen zeigte. Man ließ uns für zwei Minuten allein, in denen ich merkte, dass meine Frau mich nun dringend als Tröster benötigte. Als dann die Hebamme zurückkam, fragte sie mich, ob ich denn bei der Operation dabei bleiben wollte. Ihre Frage klang in meinen Ohren so, als ob sie als Antwort ein "Nein" erwartet hätte ("Wollen Sie etwa dabei sein?"). Deshalb zögerte ich einen Moment, obwohl ich es mir fest vorgenommen hatte, bei der Geburt dabei zu sein. Meine Frau aber fasste sich für einen Moment und sagte entrüstet: "Wehe, du kommst nicht mit!" So war diese Frage geklärt.
Kurz darauf schob man meine Frau in den Trakt, wo sich der Operationssaal befand. Ich sollte zunächst draußen bleiben. Wenig später ließ man auch mich rein und bat mich, die grüne Medizinerkleidung anzuziehen, die aus einer Hose, einem Hemd, einer Haube, einem Mundschutz und Pantoffeln bestand. Gerade der Mundschutz behagte mir ganz und gar nicht. Ich hatte das Gefühl, dass ich kaum Luft bekam, und befürchtete, dass ich aufgrunddessen bei der Geburt kollabieren würde. Aber zunächst sollte ich wieder warten. Als ich mich auf die Kante des Bettes gesetzt hatte, hörte ich plötzlich Schreie meiner Frau. Oh! Das klang gar nicht gut. So hatte ich sie noch nie gehört. Es hörte sich nach verdammt schlimmen Schmerzen an. Später erfuhr ich, dass man sie nicht nur vom Tisch fallen ließ, sondern dass auch einige Versuche, ihr die PDA (Rückenmarksbetäubung) zu verpassen, gescheitert waren. Als es wieder etwas ruhiger geworden war, durfte ich hinein. Man wies mich an, an das Kopfende des Bettes zu gehen, wo ich gerade mal die Arme und den Kopf meiner Frau sehen konnte. Den Rest von ihr verbargen großen grünen Decken. Ich schaute mich. Alle Leute um mich herum trugen die grüne Medizinerkleidung. Beinahe kam ich mir vor wie einer von ihnen. In gewisser Weise gehörte ich ja auch zum Team, nur dass ich mich um die seelischen Belange meiner Frau kümmerte, während sich die Ärzte für die körperliche Gesundheit meiner Frau und unseres Kindes sorgten. Ich war also quasi ihr Personal Coach. Somit kam ich mir nicht so nutzlos vor, wie ich es befürchtet hatte. Meine Aufgabe bestand nun vor allem darin, meine Frau mit irgendwelchen Erzählungen von ihren Schmerzen abzulenken. Zum Glück ging die OP relativ schnell vorbei. Ich schätze, es waren nur etwa 15 Minuten, bis man unser Kind für einen kurzen Moment über die grüne Decke hob, um es uns zu zeigen. Aus dem Mund des Kleinen, der eine etwas seltsame grau-bläuliche Farbe hatte, kam etwas Flüssigkeit heraus. Meine Frau deutete dies so, dass er sie auf diese Weise anspuckte. Ein Arzt, der in unserer Nähe stand, sagte uns dann, dass die Kinderärzte, die an der OP teilgenommen hatten, zufrieden mit dem Neugeborenen seien. Diese frohe Botschaft versuchte ich dann, meiner Frau deutlich zu machen. Allerdings war sie von all den Strapazen und Medikamenten noch zu benommen, um zu realisieren, dass die Geburt gut verlaufen war. Selbst ich konnte es kaum fassen, dass nach all unseren Befürchtungen der erste große Schritt so gut gemacht worden war. Der Stein, der von unseren Herzen fiel, brauchte also recht lange, bis er unten angekommen war. Die positive Aussage des Arztes bestätigte dann noch der freundliche Herr Doktor Mütze, der sich sogar sehr zufrieden mit unserem Justus zeigte. Ihm haben wir es auch zu verdanken, dass meine Frau unseren Justus, der nach seiner Geburt sofort auf die Intensivstation gebracht worden war, schon eine knappe Stunde nach der Geburt in ihren Armen halten durfte. Sie war natürlich äußerst glücklich. Und auch in meinem Herzen ging die Sonne wieder auf.

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